Neulich war ich auf einer Vernissage. So richtig mit Einladung. Als kulturinteressierter Mensch dachte ich, so etwas einmal mitmachen zu müssen. Also schnell die gammeligste Hose die ich besitze angezogen und hingeradelt in den Stadtteil der Reichen und Blondierten. Vor der Galerie: eine leinenhosenundparfümtragende Menschentraube. In der Galerie: noch mehr Menschen, noch mehr Parfüm, keine Luft zum Atmen und durchsichtige Plastikbecher mit Weißwein. Noch was? Ach ja, fast hätte ich vergessen, warum ich hier bin: die Bilder. Fotos, um genau zu sein. Grauenhaft schlechte Fotos, um noch genauer zu sein. Fast bin ich froh um die Hochgestelltehemdkrägenundmokassinträger, die mir den Blick auf die 'Werke' verstellen. Mein verletztes Ästhetikgefühl wankt zum nächsten Weißweinplastikbecher. Vielleicht kann man sich die Fotos ja schöntrinken? Bei der toupierten Dame in Türkis neben mir hat es funktioniert. Sie wirkt ganz verzückt. Überhaupt scheint es hier einige Menschen zu geben, die die Geschmacklosigkeiten an der Wand für Kunst halten. Warum nur? Ein strategisches Ausweichmanöver - die Dame in Türkis hat in der Menge ihren Gatten entdeckt und stürzt mit Küsschen auf ihn zu - befördert mich näher an die Wand, und mein Blick fällt auf eines der dezent platzierten Preisschilder. Mir wird schwindlig von den vielen Nullen, die ich da sehe. Das kann einfach nicht sein. Das muss der Weißwein und die Hitze...- ich schaue nochmal: Tatsächlich. 35.000 €. FünfunddreißigTAUSEND. Benommen fliehe ich auf die Straße. Das ist also das Rezept für Kunst. Man nehme ein Dutzend schlechte Fotos, multipliziere ihre Herstellungskosten mit 1000, und lasse sie bei 40°C Umluft mit einer guten Handvoll Porschefahrern, einigen Zahnarztgattinen und vielen Bechern Weißwein langsam schmoren. Wenn sich alles zu einer zähen, geschmacklosen Sauce verbunden hat, serviere man das Gericht so schnell wie möglich. Denn: Sobald der Weißwein verdunstet ist, wird es übles Aufstoßen verursachen.
Dienstag, 15. Juni 2010
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